Im Mittelpunkt der Sonderausstellung „Wenn der Kaiser stirbt ...“ (vom 11. August 2012 bis 9. Dezember 2012) steht Kaiser Otto II. Dessen Gemahlin, Theophanu, galt als eine der bedeutenden Kaiserinnen des Mittelalters. Theophanu und ihre Schwiegermutter, Kaiserin Adelheid, sind frühe Beispiele für starke Frauen in unserem Kulturkreis.
Die fiktive Geschichte „Theophanus Traum“ - mit historisch belegbaren Daten – veranschaulicht die damaligen politischen und gesellschaftlichen Zeiten. Sie muten vielfach hochmodern an.
Der Ort Memleben ist mit seiner spätromantischen Klosterruine und vollständig erhaltenen Krypta ein ausgesprochenes „Muss“ für kunsthistorisch Interessierte.
Theophanus Traum
Die junge Kaiserin schreckt hoch. Nach der durchwachten Nacht ist sie einen Lidschlag lang eingenickt. Trotz der unbequemen Position im Knien. Die Gebete für ihren Schwiegervater in der Kapelle der Kaiserpfalz Memleben sind derweil weitergegangen. Otto der Große, der alte Löwe, ist in der Nacht zuvor überraschend gestorben: nach 37 Jahren als König des Ostfrankenreichs und elf Jahren als Kaiser an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs.
Das Herz des großen Kämpfers haben sie in der Nacht noch in der Krypta von Memleben beerdigt. Obwohl es jetzt im Mai des Jahres 973 in der Kapelle warm ist, fröstelt Theophanu. Unwillkürlich schüttelt sie sich, leise klingelt ihr Ohrgehänge. Das bringt ihr – natürlich - einen missbilligenden Blick ihrer Schwiegermutter ein, der ebenso strengen wie stolzen Kaiserin Adelheid. Theophanu kann die Trauer Adelheids erahnen, auch sie selbst wird den alten Kaiser vermissen, der jäh aus dem Leben gerissen und binnen weniger Stunden vor den himmlischen Thron gerufen wurde.
Stets hat Otto der Große seine Hand voller Wohlwollen auch über die junge Schwiegertochter aus Byzanz gehalten. Gerade am Anfang, als sie als Braut für den jungen Otto in Rom angekommen war und viele gegen sie geredet haben. Sie sei keine echte purpurgeborene Prinzessin, sondern nur die Nichte des neuen oströmischen Kaisers Johannes. Man solle sie wieder nach Hause schicken. Theophanu selbst, obwohl gerade mal 13 Jahre, hatte sich geschworen, auf keinen Fall aufzugeben. Sie war nicht umsonst mehr als 3000 Kilometer unterwegs gewesen. Es würde ihr schon gelingen, das Herz des ihr zugedachten Gatten zu gewinnen. Doch dann hatte der mehr als 50 Jahre ältere künftige Schwiegervater Otto I. ein Stück von sich selbst in den Augen der blutjungen Braut erkannt: den unbedingten Willen, sich durchzusetzen und die Gewissheit, von Gott für eine besondere Aufgabe auserwählt zu sein.
Ein zufriedenes Lächeln war damals über sein Gesicht gehuscht und Theophanu wusste in demselben Augenblick, sie hatte gewonnen. Jetzt liegt dieser Mann aufgebahrt direkt vor dem Altar und atmet nicht mehr.
Jetzt ist ihr Ehemann, der junge Otto, Otto II., 18 Jahre jung, Kaiser und sie, Theophanu, die neue Kaiserin über das große Reich, das von der Nordsee bis hinunter nach Rom reicht. Es ist an ihnen, weiterzuführen, was die Generation vor ihnen aufgebaut hat. Stunden später nach vielen weiteren Gebeten und Gesängen erzählt Theophanu ihrem Mann von ihrem Traumbild: Sie hat eine große prächtige Kathedrale gesehen, ähnlich dem Dom in Magdeburg oder Köln. „Doch diese Kathedrale soll hier in Memleben stehen“, endet sie.
Zuerst ist der junge Kaiser skeptisch, doch schließlich gefällt ihm der Gedanke, der unsterblichen Seele seines Vaters - und der eigenen, sowie der Seele seiner schönen, klugen Frau - ein steinernes Denkmal zu setzen. Ja Memleben im wilden und schönen Unstruttal ist der richtige Platz dafür, es ist ein mystischer Ort. Zumal für ihn, für die kaiserliche Familie. Nicht nur sein Vater, Otto der Große, ist hier gestorben, sondern auch bereits dessen Vater König Heinrich. Beide haben ihren Söhnen sterbend das Reich in die Hand gegeben. So wendet sich der junge Otto zu seiner Frau. „Wir werden hier in Mimilebo, dem Ort, den unser kaiserlicher Vater und unser königlicher Großvater so sehr liebten, ein Kloster nach der Regel des heiligen Benedikt errichten und eine Kathedrale bauen lassen, die seiner und unser würdig ist.“ Theophanu hat ihr Ziel erreicht.
Ein junges glamouröses Kaiserpaar
Zu Beginn ihrer Regentschaft werden Otto II. und Theophanu von der alten Kaiserin Adelheid unterstützt, die selbst erst Anfang 40 und noch äußerst tatkräftig ist. Doch das junge Kaiserpaar will neue Akzente setzen. Adelheid zieht sich nach Pavia in Italien zurück. Derweil treiben Otto II. und Theophanu unter anderem ihre Pläne für Memleben voran. Ihr häufiger Aufenthalt dort ist durch mehrere Urkunden bezeugt, ebenfalls ihre reichen Schenkungen für den Ort, der im schönen Süden des heutigen Sachsen-Anhalt liegt.
Bei archäologischen Grabungen dort hat man den Grundriss eines für die damaligen Verhältnisse geradezu gigantischen Kirchenbaus gefunden, der allerdings, das steht zweifelsfrei fest, niemals vollendet wurde. Dies ist eines der vielen Rätsel, die die Kaiserpfalz Memleben den Wissenschaftlern bis heute aufgibt. Historiker vermuten, dass Otto II. und seine Frau Theophanu tatsächlich geplant haben, in Memleben einen Erinnerungsort für ihre Vorgänger, Kaiser Otto den Großen und dessen Vater König Heinrich einzurichten.
Gleichzeitig spricht vieles dafür, dass das junge glamouröse Kaiserpaar vorhatte, Memleben auch als eigene Grablege und damit eigenen Ort der „memoria“, der Erinnerungskultur, herzurichten und auszubauen. Denn die Frage, wo man sich bestatten ließ, hatte für die Menschen des Mittelalters, eine wesentliche Bedeutung. Otto der Große und seine erste Frau Editha hatten mit Magdeburg einen zeitlebens geförderten und als „Rom jenseits der Alpen“ gerühmten dynastischen Ort geschaffen, während sich zuvor König Heinrich und seine Frau Mathilde mit Kirche und Kloster bereits in Quedlinburg verewigt hatten.
Das Seelenheil war den Menschen des Mittelalters ein ständiges Anliegen: Man scheute keinen Aufwand, um zu gewährleisten, dass für die Verstorbenen der eigenen Dynastie unablässig gebetet wurde. Dies war ursprünglich Aufgabe der Frauen der königlich-kaiserlichen Familie. Zusätzlich wurden schließlich ganze Klöster damit beauftragt und damit ein Netz von Gebetsgemeinschaften quer durch Europa begründet.
Ein mittelalterlicher Krimi: Zwei Frauen setzen sich durch
Es ist eine spannende Frage: Welche Rolle würde der kleine Ort Memleben wohl heute spielen, wenn die Ausbaupläne des jungen Kaiserpaares Gestalt angenommen hätten? Dann würde jedenfalls dort an der Unstrut ein Dom stehen, der den Vergleich mit den alten romanischen Domen in Köln und Magdeburg nicht zu scheuen bräuchte und vielleicht ebenfalls gotisch überbaut worden wäre. Vielleicht führte dann heute eine Autobahn nach Memleben? Doch die Geschichte kreuzt eben auch kaiserlichen Pläne: Otto II. stirbt noch nicht 30-jährig überraschend in Italien an einem Fieber, wahrscheinlich eine falsch behandelte Malaria. Er wird in Rom in der Peterskirche beigesetzt. Sein Sohn, der dritte Otto, ist zu diesem Zeitpunkt erst drei Jahre alt. Ausgangspunkt für einen mittelalterlichen Krimi: Das (scheinbare) Machtvakuum wird von der bayrischen Verwandtschaft der Ottonen sofort genutzt, der kleine Otto, der gerade in Aachen zum König gekrönt worden ist, wird von seinem Onkel Heinrich, dem Zänker, entführt.
Heinrich lässt sich selbst nicht nur als Vormund und Regent bestätigen, sondern setzt sich die Königskrone gleich selbst auf. Doch dann geschieht, womit niemand ernsthaft gerechnet hat: Die junge Kaiserin Theophanu, Anfang 20, schmiedet gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Adelheid von Italien aus ein Bündnis und setzt sich durch. „Die Griechin“, so nennt man sie abfällig, verschafft sich Respekt. Acht Jahre lang regiert Theophanu als Kaiserin für ihren kleinen Sohn, unterstützt von ihrer Schwiegermutter Adelheid. Eine Zeit, in der sie erfolgreicher ist als ihr zuletzt unglücklich agierender verstorbener Gatte. Theophanu gelingt es, die Grenzen des riesigen Reichs zu sichern. Als sie, ebenfalls erst Anfang 30, im Nimwegen stirbt, regiert die alte Kaiserin Adelheid noch einmal fünf Jahre für ihren Enkel Otto III.
Die Herrschaft der beiden Kaiserinnen ist ein erstaunliches, lange vernachlässigtes Kapitel unserer Geschichte. Theophanu und Adelheid sind frühe Beispiele für starke Frauen in unserem Kulturkreis.
Trendsetterin in Sachen Mode, Schmuck, Kosmetik, Kunst
Theophanu (ca 960 bis 991) war eine hochgebildete Frau, die als Prinzessin am byzantinischen Hof (heute Istanbul) mehrsprachig aufgewachsen ist. Von den zeitgenössischen Quellen wird ihr ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein attestiert, das ihr nicht nur Freunde verschaffte und das doch die Voraussetzung dafür war, sich als Frau in einer von Krieg geprägten Männerwelt durchzusetzen.
Schon als ihr Ehemann noch lebte, mischte sie sich kräftig in die Politik ein. Das bestätigen die vielen Urkunden, die auf ihre Intervention zurückgehen. Welche Wertschätzung Otto II. und seine Familie der jungen Byzantinerin zukommen ließen, kann man heute noch aus der Heiratsurkunde ersehen, die 1,50 lang und in Purpurfarben mit reicher Ornamentik gestaltet ist. Sie gilt als Meisterwerk ottonischer Kunst mit byzantinisch-orthodoxen Einflüssen. Die Güter, die Otto II. seiner Frau zur Vermählung schenkte, machten sie zur reichsten Frau Europas.
Sie war zu ihrer Zeit eine Trendsetterin in vielerlei Hinsicht: Sie veränderte mit ihrer Kleidung die Mode an den abendländischen Höfen, setzte neue Maßstäbe in punkto Schmuck und Kosmetik. Aus dem höher entwickelten Osten Europas brachte sie vielerlei Impulse auch für die Kunst und Literatur mit (Buch- und Kirchenmalerei). Theophanu ist in Köln in der Sankt Pantaleonskirche begraben. Dort ruht auch der Bruder ihres Schwiegervaters Ottos des Großen, der heilige Bruno, Erzbischof von Köln.
© by cab-artis 2012
Mit der Sonderausstellung Wenn der Kaiser stirbt ... – Der Herrschertod im Mittelalter, ist die ehemalige Kaiserpfalz Memleben einer der wichtigen Korrespondenzorte der Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2012.
Weitere Informationen :
www.kloster-memleben.de
(Der Link wurde am 24.06.2012 getestet.)
Bildtext: Kirchenruine des Kloster Memleben