Lesesonntag: Luise Kinseher erzählt in vier Filmen vom Leben einer Kellnerin um 1900, in einer typisch bayerischen Wirtsstubenkulisse und mit ihrem eigenen, bayerischen Humor. Einen Vorgeschmack finden Sie bei brikada.de im nachfolgenden Bericht. Ab 29. April 2016 sind alle Filme im Kloster Aldersbach zu sehen.
Von halb acht bis Mitternacht
Das Leben einer Kellnerin war ziemlich hart. Ein 16-Stunden-Arbeitstag war die Regel, die Bezahlung gering und das Trinkgeld die wesentliche Einnahmequelle. „Spätestens um halb acht in der Früh fang ich an mit dem Herrichten der Tische“, berichtet Luise Kinseher. Zeitungen holen, Speisekarten schreiben, Bierfass anzapfen – und schon beginnt das Frühschoppengeschäft mit Weißwürschten, das nahtlos übergeht ins Mittagessen. Die Kellnerin bedient, kassiert und säubert die Krüge. Abends kommen noch mehr Gäste, und manche bleiben sogar bis nach Mitternacht. Ein später Feierabend, denn Heimgehen kann die Kellnerin erst, wenn der letzte Gast gegangen ist. Kost und Logis sind meistens kostenlos, aber gegessen wird, wenn die Kellnerin Zeit hat: Mittags um vier und spätnachts nach Schichtende.
Sodom und Gomorrha – selten in Bayerischen Wirtshäusern
Das Wirtshaus war ein überwiegend männlich dominierter Raum: Zu bestimmten Anlässen wie Kirchweih, Hochzeit und Leichenschmaus oder bei Veranstaltungen im Tanzsaal waren auch Frauen und Kinder anwesend, im Alltag jedoch eher nicht. Der Männerort Wirtshaus kannte Frauen lange Zeit nur als Wirtinnen, Dienstmägde oder eben Kellnerinnen. Und diese waren dann gern das Ziel männlicher Flirtversuche, von doppeldeutigen Bemerkungen übers Anbandeln und Begrapschen bis zum Nachstellen der Kellnerin in ihre Kammer. Manche Wirte erlaubten ihrem Personal, das unter dem Dach der Wirtschaft schlief, auch Männerbesuch. Doch, wie Luise Kinseher im Landesausstellungsfilm betont: „So a Sodom und Gomorrha hat hier in Bayern unterm Prinzregenten echt Seltenheitswert.“
Bildunterschrift (l.): Plakatmotiv der Bayerischen Landesausstellung 2016 "Bier in Bayern"; Entwurf: Nicole Westphal unter Verwendung des Motivs von E. v. Baumgarten, "Die Biermasskrüge tragende Bavaria wird vom Münchner Kindl mit schnullerbestücktem Milchfläschchen sehnlichst erwartet", Aquarell/Druckgrafik, 1905 © Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg
Das Wirtshaus – typisch bayerische Gemütlichkeit
Das bayerische Wirtshaus ist der Inbegriff bayerischer Gemütlichkeit, die ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten hat. Deshalb werden Gaststätten weltweit gern im „bayerischen Stil“ eingerichtet. Das Wirtshaus bildete jahrhundertelang neben der Kirche das Herzstück des Ortes, dort fand das soziale Leben statt. Man war in der Wirtschaft nicht zu Hause, aber fühlte sich dennoch irgendwie daheim. Die Leute trafen sich dort, es wurde getrunken, gegessen, gespielt, gehandelt, politisiert und gerauft. Die Bayerische Landesausstellung zeigt zahlreiche Exponate der Wirtshauskultur, von der Tischkegelbahn bis zum Kellnerinnengeldbeutel.
Weitere Informationen:
www.hdbg.de
www.hdbg.de/bier
Titelbild (gelöscht): Die Kabarettistin Luise Kinseher schlüpft für „Bier in Bayern“ in die Rolle einer bayerischen Kellnerin aus der Zeit um 1900. Die vier Filmsequenzen werden in der Landesausstellung in Aldersbach zu sehen sein. Luise Kinseher agiert in einer typisch bayerischen Wirtsstube, wie sie seinerzeit auch als Papiertheater populär war. Die hier verwendete Bühne, geschaffen von dem Theatermaler Theodor Guggenberger (1866–1929), erschien in dem auf solche Papiertheater spezialisierten Esslinger Verlag J.F. Schreiber (Original: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Filmausschnitt: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg / P.medien, München).