Lese-Sonntag: Das kleine Insekt können Besucher im LWL-Museum für Naturkunde in Münster ab Ende Juni (30.6.) auch ohne Mikroskop groß erleben. Als Teil der neuen Dauerausstellung "Vom Kommen und Gehen" über westfälische Artenvielfalt im Wandel wird dieser sogenannte Neubürger vorgestellt. Elena Peter, Volontärin in der geologischen Präparationswerkstatt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster, hat das Tier in monatelanger Feinarbeit als Modell vergrößert.
Insgesamt vier Monate hat die Museumspräparatorin Peter an dem Anschauungsmodell der Wanze im Maßstab 1:20 gearbeitet. "Komplett per Hand und in Eigenregie", wie sie berichtet. Zu Beginn ihrer Arbeit lag eine maßstabsgetreue Darstellung der Kiefernwanze vor - jedoch nur als Fotografie. "Unser Museumsfotograf hat mehrere Nahaufnahmen eines ca. 1,5 Zentimeter großen Tieres gemacht und die dann auf 30 Zentimeter Körperlänge vergrößert", erklärt Peter.
Bildunterschrift (l.): Das Modell der Amerikanischen Kiefernwanze wurde im Maßstab 1:20 hergestellt und zeigt einen Neubürger Westfalens. Foto: © LWL/Steinweg
Der schwierigste Arbeitsschritt ergab sich anfangs, mit der Ausformung des Wanzen-Körpers aus einem quadratischen Block Polyurethan-Hartschaum: "Natürlich helfen dabei die Fotos. Ihnen fehlt es aber an der nötigen Tiefe, die das Modell letztlich braucht." Unter anderem zum Schutz dieses Rohlings wurde er anschließend mit Modellierknete (Plastilin) ummantelt. Dadurch konnten aber auch feine Details eingearbeitet und störende Partien oder Unebenheiten ausgeglichen werden. Anschließend wurde eine Silikonform davon hergestellt. In Kunstharz abgegossen, kann das Modell nun der Weiterverarbeitung und jahrelangen Verwendung im Museum standhalten.
Eineinhalb Monate verbrachte Peter anschließend mit dem Modellieren der Gliedmaßen: Beine, Fühler, Rüssel und sogar Gelenke. Diese wurden aus Stabilitätsgründen erneut in Kunstharz verfestigt. "Das ist sehr kleinteilige Arbeit, wenn man alle Einzelheiten und Abmessungen beachtet", berichtet die Volontärin. Für etwas mehr Transparenz und einen natürlich wirkenden Panzer, griff sie anschließend zu Airbrush-Farbe und Pinsel. Eine ergänzende Schicht Klarlack soll helfen, die aufwendige Koloration vor Feuchtigkeit und Lichteinflüssen zu schützen.
Bildunterschrift (r.): Vom modellierten Körper wurde eine Silikonform erstellt, mit deren Hilfe letztlich der eigentliche Kunstharz-Körper gegossen werden konnte. Foto: © LWL/Peter
"Unter dem Mikroskop erkennt man, dass die Härchen der Kiefernwanze verschiedenfarbig sind", so Peter. Zur realistischen Umsetzung griff sie daher auf verschiedene Materialien aus dem Tierreich zurück, die ihr die Präparationswerkstatt bot. Somit vereint das Wanzenmodell nicht nur verschiedene Kunststoffe, sondern auch natürliche Haartypen von Känguru, Wolf und Co. Die winzigen Widerhaken an den Schenkeln der Wanze reproduzierte die Präparatorin aus Rosendornen. Abschließend musste Elena Peter doch noch auf unnatürliche Weise tricksen: "Für die Krallen an den Tarsen (Füße) habe ich Gardinennadeln benutzt und für deren Krümmung angeflämmt."
Die amerikanische Kiefernwanze
Von den Rocky Mountains ins Münsterland: Was rein geografisch gegensätzlich anmutet, hat die amerikanische Kiefernwanze nicht daran gehindert, sich im Flachland Westfalens zu verbreiten. In Amerika wird sie besonders in Baumschulen gefürchtet. 2004 stießen Biologen auf das deutschlandweit erste Exemplar in Warendorf - möglichweise ein "blinder Passagier" in Pferdeboxen oder Containern aus Übersee. Als Neobiont (grie. "neues Leben", auch Neubürger genannt) gibt die in Deutschland noch als unschädlich eingestufte Wanze ein greifbares Beispiel zum Themenschwerpunkt "Artenwandel", den die neue Ausstellung des Museums in den Fokus rückt.
(Quelle: LWL-Museum für Naturkunde Münster)
Weitere Informationen:
www.lwl.org
Titelbild: Die Präparationstechnische Volontärin Elena Peter stellte das Modell der Amerikanischen Kiefernwanze für die neue Ausstellung "Vom Kommen und Gehen" her. Foto: © LWL/Steinweg