Ganz in der Tradition des Expressionismus erschaffen die Künstler Pleinair-Studien, sie malen in der freien Natur. Sie malen die Natur nicht ab, sondern erfühlen das, was sich dahinter verbirgt, interpretieren das Gesehene individuell.
Bildtext (o.): Gabriele Münter: Landstraße bei Kallmünz (1903), Privatsammlung. Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2015
Viele kleine Ölskizzen entstehen. „Die Malerei wurde spontaner. Die Art, wie die Farbe aufgetragen wurde, die Leidenschaft für Landschaftsmalerei, Motive wie junge Frauen in Sommerkleidern werden beliegt, das Leben im Freien wird ein großes Thema, alles wurde emotionaler“, erläutert Museumsdirektorin Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy.
Zunächst schließen die malerischen Skizzen und Ölstudien an die vom Impressionismus und in der berühmten Künstlerkolonie von Barbizon gepflegte Tradition an, die von den so genannten deutschen Impressionisten Slevogt, Liebermann oder Corinth – die Ausstellung zeigt einige ihrer Werke – zunächst weitergeführt wurde.
Dann aber bahnen sich rigoros individuelle Auffassungen an, viele Naturstudien entstehen in Oberbayern und rund um den Kochelsee. Ausgedehnten Reisen verdanken wir weitere wunderbare Motive.
Und der wechselvollen Liebesbeziehung zwischen Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, eine der ersten Studentinnen Kandinskys und seine langjährige und dann sitzengelassene Geliebte. Da der Meister verheiratet war, sahen sich die beiden zu unstetem Reiseleben gezwungen und machten Station in Holland, Tunesien, Paris und an der italienischen Riviera, wo u.a. die 2011 vom Franz Marc Museum erworbene Pleinair-Skizze Kandinskys „Rapallo – Boot im Meer“ entstanden ist. Besonders faszinieren dürfte die Ausstellungsbesucher u.a. das Wechselspiel zwischen Fotografie und Malerei im Frühwerk Gabriele Münters. Vom Publikum viel geliebt ist Münters „Promenade“, die Darstellung von am See spazierenden jungen Frauen in blütenweißen duftigen Sommerkleidern und einer älteren Dame mit Sonnenschirmchen. Überhaupt tauchen am Wasser angesiedelte Motive in der Ausstellung häufig auf.
Bildtext (o): Gabriele Münter: Kandinsky beim Landschaftsmalen (1903), Städtische Galerie im Lenbachhaus, Foto: VG Bild-Kunst Bonn
Beispielhaft für Motive am Wasser sind zu nennen Kandinskys „Kochelsee Blick auf Altjoch“, Kochel am See, Liebermanns „Am Strand von Noordwihk, Signacs pointillistische Studie „Die Seine bei Samois“.
Ein ähnlich kompliziertes Liebesleben wie Kandinsky hat auch Franz Marc gehabt. Marcs Pleinair-Ölskizzen von Maria Franck im Schnee und die Pleinairstudie „Zwei Frauen am Berg“ zeugen davon. Der „Thränenhügel“, wie Maria Marc die Anhöhe taufte, kann übrigens auf der Wanderung „Auf den Spuren des Blauen Reiters“ besucht werden. Maria Marc musste 1906 einen Sommer in Kochel verbringen und ihren Franz mit der Rivalin Marie Schnür teilen.
Franz Marc ist berühmt für seine meisterhaften Tierdarstellungen. Kultstatus hat „Der tote Spatz“ (1905) erreicht, der ebenso in der Ausstellung besichtigt werden kann wie verschiedene eindrucksvolle Pferdestudien.
Bildtext (l.): Franz Marc: "Frau im Wind am Meer" (1907), Franz Marc Museum Kochel am See, Dauerleihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München.
Für die Bodenständigkeit der Künstler spricht das wiederkehrende Motive von zum Trocknen auf die Leine gehängter Wäsche. So malte Kandinsky unter dem Titel „Frühling“ sich bauschende weiße Hemden und ein kariertes Geschirrtuch, Gabriele Münter verspielt aufgereihte weibliche Lingerie, Franz Marc lässt „Flatternde Wäsche im Wind“ wehen. August Macke hat sich von Hemdchen und Höschen in einem Bauerngarten inspirieren lassen: „Wäsche im Garten in Kandern“.
Die Ausstellung vereint 120 Werke aus unterschiedlichen Museen wie dem Centre Pompidou, der Kunsthalle Bremen, dem Folkwang-Museum Essen, dem Münchner Lenbach-Haus und ist noch bis 19. Juli 2015 geöffnet. Der Katalog ist bei Schirmer/Mosel München, ISBN 978 3 8206 0707 0, Buchhandelsausgabe: Euro 39.80, Museumsausgabe: Euro 29.50.
Bildtext (o.): Franz Marc: Zwei Frauen am Berg (1906), Privatbesitz Foto: VG Bild-Kunst Bonn.
Brikada-Bewertung: Ein Kunstgenuss, für den man sich unbedingt Zeit nehmen sollte!
Doris Losch
Weitere Informationen:
www.franz-marc-museum.de
Titelbild: Gabriele Münter, Promenade, um 1904-06, Öl auf Pappe, Kunsthalle Emden – Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo