1708 haben die Europäer – genauer Johann Friedrich Böttger in Dresden – das Porzellan nacherfunden, unterstützt von Sachsenkönig August dem Starken. Die Chinesen stellten schon seit langem feinstes Porzellan her, hielten aber die Herstellungsweise streng geheim. Älteste europäische Porzellanmanufaktur ist Meissen, wo 1710 die ersten Artefakte entstanden. Rasch folgten königliche und fürstliche Manufakturen in Deutschland und Europa, Porzellan wurde Spekulationsobjekt, avancierte zum "Weißen Gold". Auf den Markt kam anfangs auch Porzellan, das eigentlich gar keines ist: Weichporzellan enthält nur bis 30 Prozent Kaolin, das heute gebräuchliche Hartporzellan besteht zu mindestens 50 Prozent aus Kaolin. Im 18. Jahrhundert produzierten französische Manufakturen so genanntes "Frittenporzellan" oder porcelaine tendre, das überhaupt kein Kaolin enthielt. Zu Weichporzellan zählt u.a. das auf 50 Stück dezimierte berühmte Porzellan der Florentiner Adelsfamilie Medici.
Mit einigen der äußerst seltenen Medici-Exponaten beginnt die Ausstellung die Zeitreise durch 300 Jahre europäische Porzellangeschichte, die gleichzeitig eine Geschichte der Gesellschaft von der Hocharistokratie über das aufstrebende Bürgertum bis zur Globalisierung darstellt. Zu sehen sind unter anderem Teile des persönlichen Service von Zarin Katharina der Großen, noch nie gezeigte, aus einem gekenterten Schiff geborgene Meissen-Stücke, das Bidet von Kaiserin Sisi, Blumenornamente aus dem ehemaligen "Palast der Republik" in Berlin, Säulen aus Porzellan...
Hauptkuratorin Petra Werner hat gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Ausstellung in die Themeninseln Design, Architektur, Lifestyle, Ökologie und Kunst aufgegliedert. Die Werke von Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts wie Marguerite Friedlaender sind ebenso vertreten wie von zeitgenössischen jungen Künstlerinnen und Künstlern, die die Entwicklung des Porzellandesigns in den "Nullerjahren" repräsentieren. Hochinteressant ist die Darstellung der so genannten Technischen Keramik bzw. von Quarzporzellan, das als Silikatkeramik dank Isolationsvermögen, Hitze- und Korrosionsbeständigkeit, chemischer und mechanischer Widerstandsfähigkeit der Keramik- und Porzellanindustrie in Deutschland Chancen auf dem Weltmarkt eröffnet. Bei Porzellan für die gepflegte Tafel bildet Ware aus Fernost eine große Konkurrenz. Aber, wie Petra Werner bemerkt: "Die Menschen entdecken die echten Werte neu, und dazu gehört unbedingt schönes qualitätsvolles Porzellan und Tischkultur".
Insgesamt sind hundert Leihgeber aus 17 Nationen mit Exponaten auf der "Königstraum und Massenware" vertreten. Die Ausstellung, zu der auch ein vielfältiges Rahmenprogramm gehört, findet im "Porzellanikon" in Selb und in Hohenberg an der Eger statt. Dauer: 24. April bis 2. November 2010.
Doris Losch
Weitere Informationen:
www.porzellanikon.org
www.koenigstraumundmassenware.org
Foto: Porzellanikon
Leserzuschrift:
Christof von Tschirnhaus, Lübeck, schrieb zum obigen Artikel: Porzellanikon: Porzellanträume in Selb und Eger.
Darin vertritt Herr von Tschirnhaus die Ansicht, das Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651-1708) der tatsächliche Erfinder des Porzellans ist.
Der Porzellanerfinder heißt Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651-1708). Böttger hat dann diese Erfindung weiter ausgebaut.
In den urkundlichen Quellen im Staatsarchiv zu Dresden liest man folgendes:
1719 flieht der Arkanist Samuel Stölzel aus Meißen nach Wien und verrät dort das Porzellangeheimnis. Er bekundet, daß nicht Böttger, sondern von Tschirnhaus das Porzellan erfunden habe.
Im selben Jahr schreibt der Generalsekretär der Meißner Manufaktur -Caspar Bussius- "daß die Porzellanerfindung nicht von Böttger, sondern von dem seeligen Herrn von Tschirnhausen herkommt und dessen schriftliche Wissenschaft ihm durch den Inspektor Steinbrück zugebracht worden sey." (H.St.A.Dresden,Hempel 1823, S.292)
Und in der Tat hat Steinbrück 1718 in einer Abfassung mit eigenen Worten zugegeben, den handschriftlichen Nachlaß von Tschirnhaus benutzt, bzw. sich von den Manuskripten Abschriften gemacht zu haben. Ferner berichtet er, dass er über die Art, wie Böttger das Porzellan erfunden habe, nicht ganz im klaren sei.
("Nachrichten über die im Chursächssischen Ertz-Gebirge befindlichen Edelen guthen und raren Gesteine" -Kgl.Bibliothek Dresden Ms.J. 275, 1718-)
Drei Tage nach Tschirnhaus´ Tod bestätigt Böttger in einem Brief die Herstellung eines Porzellanbechers durch v.Tschirnhaus.
(H.St.A.Dresden Loc.976).
Kurz zuvor wird v.Tschirnhaus vom König zum Geheimen Rat und Direktor der zu gründenden Manufaktur ernannt
(H.St.A.Dresden, Königliche Resolution über die Böttgerschen Rechnungen, 1708)
- und August verfügte, "...daß wir dem Herrn von Tschirnhausen 2561 Thaler haben auszahlen lassen..." (H.St.A.Dresden Loc 2097, Nr.49).
Der Oberbürgermeister aus der Porzellanstadt Selb schreibt folgendes:
"... Der Stadtrat der Stadt Selb hat einstimmig auf Vorschlag eines seinerzeitigen Stadtratsmitglieds den Verbindungsweg zwischen Brunnen- und Weißenbacher Straße nach dem Erfinder des Porzellans v.Tschirnhaus benannt. Der Weg liegt in unmittelbarer Nähe der Staatlichen Fachschule für Porzellan. Eine Halle dieses Instituts war zum damaligen Zeitpunkt bereits nach Tschirnhaus benannt."
Das Germanische Nationalmuseum aus Nürnberg bestätigt:
"Die Rolle Ehrenfried Walther von Tschirnhaus als eigentlicher Porzellanerfinder wird immer noch nicht richtig gewürdigt."
Das Landesmuseum aus Mainz schreibt:
"... Ich werde jetzt unsere Museumsblätter in diesem, auch mir sehr am Herzen liegenden Detail erweitern und korrigieren... mit entsprechender Würdigung der Porzellanerfindung durch Ehrenfried Walther von Tschirnhaus!"
Museen, Lexika und Reiseführer haben Korrekturen gebracht.
Auch das Sächsische Staatsinstitut, hat die Schulbücher korrigiert und nennt nun E.W.v.Tschirnhaus als Porzellanerfinder.
In einem Brief aus der Sächsischen Staatskanzlei heißt es u.a.:
"Ehrenfried Walther von Tschirnhaus war Mathematiker, Kursächsischer Rat, der als erster Deutscher zum Auswärtigen Mitglied der Pariser Akademie des Sciences ernannt wurde. Er ist der europäische Erfinder des Porzellans, ein Verdienst, das lange Johann Friedrich Böttger zu Unrecht zugeschrieben wurde."
"Ganß Sachsen wird so leicht den Herrn von Tschirnhaus nicht vergessen, und sein Ruhm wird ewig bestehen, so lange nehmlich, als die Porcellain-Fabriqve in Meißen welche nächst der Chinesischen, ihres gleichen in der Welt nicht hat,... Denn eben der Herr von Tschirnhausen ist derjenige, so die Massam zu Porcellain am ersten glücklich gefunden,...
Der Tod nehmlich unterbrach alle schönen Bemühungen des Herrn von Tschirnhausen, welche die Welt nicht mit Golde bezahlen kann."
(P.G.Mohrenthal: Lebens-Beschreibung des Welt-berühmten E.W.von Tschirnhaus in gleichen Nachrichten von seinen Schriften und seltenen Erfindungen. In: Curiosa Saxonica, Drittes repoitorium Probe 38 und 39.Dresden 1731).
Vielleicht sind diese Infos für Sie und Ihre Leser von Interesse.
Leserzuschrift:
Gabi Dewald, Pressesprecherin Porzellanikon, bezieht Stellung zur Urheberschaft der Erfindung des Porzellans:
Es ist unsererseits unzweifelhaft, dass der Universalgelehrte von Tschirnhaus wichtige Forschungsarbeiten und Grundlagenerkenntnisse zur Herstellung des Porzellans lieferte. Er war schon lange an dieser Sache dran, hatte damit auch beim König (August dem Starken Anm.d.Red.) Gehör gefunden, Auslandsreisen gemacht etc. Er konnte Böttger, der ja eigentlich Goldmacher und auch vom König August dem Starken eigentlich damit beauftragt war, von seinen Plänen und Erkenntnissen überzeugen.
Die Lesart heute ist, dass Böttger der genialische Alchemist war, von Tschirnhaus aber der seriöse Naturforscher und Gelehrte, der die Grundlagen weitgehend lieferte, und dass dann diese "Mischung" im Grunde die Erfindung perfekt machte. Das Pech des von Tschirnhaus, was den Ruhm betrifft, war sein früher Tod.
(Die Links wurden am 18.04.2010 getestet.)