Monika Kolb-Klausch, 50, Geschäftsführung mediacampus frankfurt, Bildungsdirektorin Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Frankfurt am Main. Ihr Sohn ist 21 Jahre alt.
„Mit Freude beobachte ich, dass auch in unserer Branche immer mehr Frauen – vor allem junge Frauen - in führenden, auch Top Positionen, tätig sind. Vor allem auch Frauen mit Kindern. Es ist schön zu sehen, dass sich Rollen-verhältnisse wie selbstverständlich weiterentwickelt haben und vielfältige Familienszenarien möglich sind. Männer, die eine Familienzeit nehmen oder sich diese teilen oder Frauen, die alternative Betreuungsmöglichkeiten annehmen.
Mir gefällt dabei besonders, dass junge Frauen diese doppelte Verantwortung, nicht mehr scheuen und unter Beweis stellen, dass sie der Belastung nicht nur gewachsen, sondern sie professionell und souverän gestalten können. Dabei stelle ich sehr häufig fest, dass sie mit noch viel größerer Begeisterung und Power ihre Aufgaben wahrnehmen. Diese Vielfalt im Leben steigert die Leistungsfähigkeit, natürlich auch die Motivation.
Auch den Arbeitgebern gehört ein Lob. Immer häufiger bringen sie den Mut auf, brechen mit alten Rollenmustern und schaffen entsprechende Strukturen für Frauen in Führungsaufgaben. Insgesamt sehe ich eine positive und schöne Entwicklung.“
Vorsicht Buch! hat nachgefragt – ob dies in der Praxis stimmt. Und mit neun Powerfrauen aus der Buchbranche über die Bedingungen ihrer Karrieren und die Chancen von heute gesprochen:
Die Fachfrauen gaben Antworten auf drei verschiedene Fragen (gestellt von Margarete Schwind im Auftrag von Vorsicht Buch!). Die Frage "Wie erleben Sie das Thema "Vereinbarkeit?" beantworteten die Powerfrauen wie folgt
Wie erleben Sie das Thema "Vereinbarkeit"?
Christiane Frohmann: "Ich mache meine Regeln selbst, deshalb kann ich Arbeit und Familie ganz gut vereinbaren. In meinen Verlag investiere ich vor allem sehr viel Zeit, ich mache fast alles allein, so kann ich auf Investorenkapital verzichten und inhaltlich unabhängig bleiben. Wirtschaftlich funktioniert das im Augenblick nur, weil mein Mann klassisch Karriere gemacht hat und ich deshalb in den kargen Gründerjahren nicht viel zum Unterhalt der Familie beitragen muss. Um die nächste Frage vorwegzunehmen: Nein, unangenehm finde ich das nicht, weil ich fast zehn Jahre lang wegen unserer Kinder praktisch gar nicht gearbeitet habe. Nicht weil ich musste, sondern, weil ich wollte. Beim ersten Kind hatten mein Mann und ich noch beide gleich viel gearbeitet und betreut, beim zweiten Kind geriet ich dann in eine ganz andere Dimension von physischer und emotionaler Beanspruchung, ich hätte mir zu der Zeit gar nichts darüber hinaus vorstellen können. Dass wir als Familie immer wieder erfolgreich ausgelotet haben, wer gerade beruflich was genau will und wie wir das zusammen hinbekommen, ist natürlich nicht die Regel, sondern Glück. Mittlerweile arbeite ich ja nicht mehr ganz allein, sondern bei Orbanism mit Leander Wattig zusammen, der ähnlich antihierarchisch tickt, was zeigt, dass das nicht nur ein Frauending ist.
Vereinbarkeit heißt für mich, dass jede Frau - im Idealfall jede Person - sich ihrer Neigung und Lebenssituation angemessen mit ihrer ganz persönlichen Vorstellung von Arbeit, sozialem Leben und Erfolg einrichten kann. Nicht jede Frau will Karriere machen, Kinder haben oder Unternehmen gründen, aber jeder Frau sollte all dies offenstehen, wenn sie es möchte. Dazu braucht es immer noch bessere staatliche Unterstützung und vor allem weniger Menschen, die andere darüber belehren, was richtig oder falsch ist.
Ich zum Beispiel habe, klassisch betrachtet, meine akademische und Kulturbetriebskarriere versiebt, bin aber trotzdem erfolgreich und zufrieden, weil ich mache, was ich machen will. Manchmal bin ich eine gute Mutter, manchmal nicht. Manchmal bin ich eine gute Verlegerin, manchmal nicht. Manchmal bin ich ein guter Mensch, manchmal nicht."
Anke Hardt: "Ich erlebe leider vermehrt, dass viele Frauen nach Ihrer Elternzeit nicht wieder richtig ins Berufsleben einsteigen oder sehr lange aussteigen. Ich persönlich versuche den Wiedereinstieg in meiner Abteilung zu fördern und Frauen zu ermutigen nach relativ kurzer Zeit wieder Vollzeit zu arbeiten. Dies klappt, mit der dazugehörigen Flexibilität auch sehr gut. Es geht nicht um körperliche Anwesenheit sondern um effektives, kompetentes und verantwortungsvolles Arbeiten. Das kann auch weitergeführt werden wenn die Kinder schlafen. Das mache ich übrigens auch so!"
Marlies Hebler: "Als einen wachsenden Bestandteil der Erwartungen und Wünsche, die Berufstätige an einen modernen Arbeitsplatz haben. Und ich denke da nicht nur an den Klassiker "Vereinbarkeit von Beruf & Familie", sondern z. B. an das Bedürfnis nach sozialem Engagement neben dem Job, an die Notwendigkeit der Fürsorge in einer alternden Gesellschaft oder dem schlichten Wunsch, mehr Zeit mit dem Partner oder Freunden zu verbringen. Die Liste ist lang. Es wird spannend sein zu sehen, inwiefern sich auch das Verständnis von Karriere und Erfolg unter diesen Aspekten wandeln wird."
Stephanie Lange: "Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für alle Eltern, ob Mann oder Frau, eine große Herausforderung. Die Rollenerwartung in beiden Bereichen sind hoch und die Medien und die Gesellschaft sorgen für immer währenden Druck, alles richtig zu machen. Man muss einen Vollzeit-Job in einer Führungsposition schon sehr wollen, wenn man dieser Belastung standhalten will. Ich habe da mit meinem Unternehmen wirklich Glück, da nach Wegen gesucht wird, Berufstätigkeit und Familie zu vereinbaren. Es hilft, dass alle Geschäftsführungskollegen Familie haben.
Meiner Meinung nach wird auch von der Politik zu wenig für eine gute Betreuung von Kindern außerhalb des Hauses getan - ob Kita-Plätze oder Ganztagsschulen."
Monika Osberghaus: "Ist immer noch ein großes Problem, so lange die Männer nicht mitmachen. Überall da, wo sie es tun (z.B. bei mir, bei meiner Mitarbeiterin) ist es kein großes Problem."
Paula Peretti: "Für mich war es immer selbstverständlich, beides zu vereinen. Ich liebe meinen Beruf, und als ich in eher reiferem Alter meine beiden Töchter bekam, fand ich es wunderbar, Mutter zu sein und Familie zu leben (finde ich immer noch!); zugleich konnte ich mir nicht vorstellen, den Beruf aufzugeben oder deutlich herunterzufahren. Das ging, weil mein Mann und ich uns die Aufgaben in der Familie teilen und wir außerdem noch Tageseltern gefunden haben, die uns sehr unterstützt haben. So wurde alles auf mehrere Schultern verteilt. Als die Kinder in die Schule kamen, fanden wir eine Kinderfrau, die uns jetzt seit über zehn Jahren unterstützt. Das ist machbar und in unserem Fall im Sinne aller Beteiligten.
Dennoch: Es gibt Phasen, in denen ich es als enorme Belastung empfinde, Familie und Beruf parallel zu leben. Man macht nichts wirklich richtig, denkt man. Das Team zu Hause, das Team im Verlag .. Da bleiben Kraft, Ausstrahlung und Ideen schon mal auf der Strecke. Das ändert sich aber wieder, wenn die Kinder selbständiger werden (mit 13, 14, 15 .). Und für die grauen Haare, die einem wachsen, findet man irgendwann auch einen guten Friseur - und die Zeit dazu."
Elisabeth Sandmann: "Ich glaube, dass es das ehrlicherweise wirklich sehr selten gibt und noch seltener früher gab. Vielleicht ändert sich das auch gerade. Wenn die Balance zwischen Beruf und Familie stimmt, ist es natürlich ideal, aber in echten Top-Positionen ist genau dieser Balanceakt noch immer sehr einseitig schwankend.
Ich habe einen mittlerweile 25-jährigen Sohn und habe selbst erlebt, wie schwer sich Kind und Karriere vereinbaren ließen. Und bei meinem Sohn und seiner Freundin erlebe ich gerade, dass es schwer ist eine Wohnung zu bekommen, weil die Vermieter Angst vor Kindergeschrei haben, auch wenn man noch gar keine Kinder will oder dass die Jobs anders vergeben werden, weil die Bewerberin schwanger werden könnte. Das ist einfach ein Kriterium."
Maria Scholz: "Für mich war die Vereinbarkeit da, was weniger an meinem beruflichen Umfeld lag als an unserer familiären Situation. Mein Mann hat die Erziehungszeit übernommen, ich habe bis kurz vor der Geburt und direkt danach wieder Vollzeit gearbeitet und bin Ernährerin unserer Familie. Mein berufliches Umfeld hat mich aber vielfach unterstützt, ich habe einen Arbeitsplatz zuhause und konnte meine Arbeitszeit flexibel regeln. Ich würde mich jederzeit wieder so entscheiden! Trotz aller Mühen ist das genau mein Ding, Familie und anspruchsvollen Job zu vereinen! Klappt nicht immer, aber im Vergleich zu den Berufschancen meiner Mutter (Jahrgang 1938) ist es ein Paradies. Ich glaube, dass es mehr Verständnis für Eltern gibt, die Beruf und Familie vereinen wollen. Was wir noch nicht erreicht haben ist, dass Mütter die gleichen Karrierechancen haben wie Väter."
Sabine Schönfelder: "Das ist immer noch eine Herausforderung, denn Kinder zieht man nicht mal so nebenbei groß. In meinem Fall haben mein Mann und ich anfangs die Rollen getauscht, erst habe ich 5 Jahre Erziehungszeit übernommen, dann er."
Die Fragen stellte Margarete Schwind im Auftrag von Vorsicht Buch!
Weitere Informationen:
www.vorsichtbuch.de
Titelbild: Powerfrauen aus dr Bucchbranche geben Auskunft; (Mitte):Monika Kolb-Klausch, (v.l.o. im Uhrzeigersinn): Anke Hardt, Maria Scholz, Dr. Elisabeth Sandmann (Foto: Gisela Schenker), Marlies Hebler, Sabine Schönfelder, Stephanie Lange, Paula Peretti (Foto © Constantinos Belibasakis) , Monika Osberghaus, Christiane Frohmann