München. - Die Wortschöpfung Prekärotopia verbindet Prekariat und Utopie. Die Künstlerinnen Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner haben sich als Speaker, Poupée und Trickster zusammengefunden, gemeinsam Lieder komponiert und gesungen und bewegen sich im Laufe des Stücks – Achtung: Aufführungen finden nur am 30. März, am 5. April und am 11. April statt! – aufeinander zu und aneinander vorbei.
Höchst unorthodox ist die Interpretation des traditionellen Singspiels, denn es handelt sich um ein Singspiel, wobei sich die Künstlerinnen ebenso vom sowjetischen Künstlertheater und linksrevolutionären Arbeiterliedern der 20-er- Jahre bis hin zu Musikvideos inspirieren ließen.
Immer geht es originell zu, Zuschauern bleibt viel Raum zur eigenen Interpretation. Speaker Beate Engl sitzt auf ihrem hydraulisch hoch- und niedergeschraubten knallroten Sessel in Form einer Hand wird zunehmend eins mit ihm. Poupées farbenfrohes Kleid ergraut nach und nach. Clou ist zweifellos das Brathendl bzw. der Broiler auf vier wuchtigen Rädern von Franka Kaßner. Sie sagt: „Ich bin der Broiler“ und fährt mit dem schellackversiegelten selbstgebauten E-Auto im (abgemilderten) Monstercar-Look auf die Bühne.
Sinn und Zweck? Natürlich Spaß, oder? Dafür sorgen schon die grellblinkende Zirkus-Leuchtschrift „Prekärotopia“ über dem Eingang zur Ausstellung, der Broiler und die von Leonie Felle virtuos gespielte Globen-Orgel, welche mit zehn physisch anwesenden Weltkugeln und mit Globen-Videos den Kapitalismus thematisiert, der die Welt beherrscht.
Beeindruckend ist auch die „Revuetreppe“, eine Fichtenholzskulptur von Franka Kaßner. Bei der Treppe ist nichts so wie es scheint, sie wird auf- und abgebaut und hat optische Anklänge an ein Xylophon.
An die Wände projizierte Videos unterhalten die Besucher mit schwarz-weißen Filmsequenzen von Sahnetorten, die mit flüssiger Schokolade übergossen werden, von im blätterlosen Park umherirrenden Mädchen (erinnert irgendwie an Krimi-Vorspann), von einer Vollmondszenerie, in der eine dunkle Gestalt passiert.
Präkarotopia versteht sich, so Kuratorin Stephanie Weber, in Anlehnung für Bertold Brechts Definition der „Bettleroper“ als Stück für, nicht über „Bettler“, als Kommunikationsmittel und nicht als gesellschaftliche Bestandsaufnahme. Das mit dem Kommunikationsmittel dürfte gelingen, denn bei so viel lebenslustiger Atmosphäre kommen Zuschauer leicht ins Gespräch.
Autorin: Doris Losch
Prekärotopia, Vom utopischen Versuch gemeinsam zu verändern (Ausstellung), 31. März bis 22. April 2019 im Kunstbau des Lenbachhauses, München.
Aufführungen finden statt am 30. März und am 5. Und 11. April. Freier Eintritt.
Vom 31. März bis 22. April übernehmen Poupée, Speaker und Trickster den Instagram-Account des Lenbachhauses.
Weitere Informationen:
www.lenbachhaus.de