München. - Auf dem diesjährigen „Symposium Feines Essen + Trinken“ referierte die international renommierte Trendexpertin Hanni Rützler über „Essenskultur im Wandel“.
Dieser Wandel ist zweifellos gewaltig. Hanni Rützler sagt: „Es gibt nicht nur einen Trend, es gibt aktuell ca. 30 verschiedene“ und nennt Schlagwörter wie Gesundheit, Global, Genuss, Regionalität, Nachhaltigkeit, Moral …
Im Cluster „Gesundheit“ zeige sich beispielsweise „Soft Health“, der genussvolle und durchaus hedonistische Weg zum gesunden Leben. Unter „Forced Health“ rangiere das so genannte gesundheitsfördernde „Superfood“ (Smoothies, Chiasamen & Co.).
Mittendrin steckten wir im Thema Nachhaltigkeit. Auch dieser Bereich ist mit reichlich Anglizismen garniert wie „Food in the nude“, was schlicht unverpacktes (also „nacktes“, von Plastik befreites) Gemüse und Obst bedeutet.
Immer mehr Menschen legen Wert auf „Moral auf dem Teller“ – beim Denken an Massentierhaltung und Massentransporte bleibt nämlich vielen Fleischessern der Bissen im Hals stecken.
Fleischessen ist erst in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Normalität geworden, informiert Hanni Rützler. Zuvor kamen überwiegend Milch- und Getreideprodukte auf den Tisch. Inzwischen sei der „historische Hunger“ aber gesättigt. „Es gehe nicht um weniger, sondern um besseres Fleisch. Bei stabiler Wirtschaft werde der Fleischverbrauch langsam, aber stetig sinken. „Fleisch verliert die Hauptrolle. Wir sind auf der Suche nach kulinarischen Alternativen.“
Für Gemüse ruft Hanni Rützler das Ende des Beilagen-Daseins aus: „Gemüse und überhaupt pflanzliche Nahrungsmittel sind die neuen Stars“. Dies gelte auch für Obst, Hülsenfrüchte, Algen, Nüsse.
Bewegung herrsche auch beim Thema Frühstück. Noch sei Frühstück, süß oder salzig, die stabilste Mahlzeit. Jedoch: „Frühstück wird internationaler, individueller, flexibler.“ Generell würden Snacks ganztägig zu Mini-Mahlzeiten, Mahlzeiten zu Snacks.
Für die in Sachen neue Esskulturen besonders aufgeschlossenen Millenials (laut Wikipedia die zwischen Ende der 80-er bis Anfang der 2000-er Jahre Geborenen) und die mit digitalen Medien aufgewachsene „Generation Y“ aka „Digital Natives“ (incl. der Friday-for-Future-Jugend) ist Essen dank der Macht der Information und Kommunikation zu einer Art Religion geworden, die auf instagram und facebook zelebriert wird.
Eben wegen dieser mühelosen Zugänglichkeit zu Informationen haben in Handel und Gastronomie „die Kunden die Macht übernommen, sie entscheiden, was sie interessiert, sie werden immer politischer“.
In dieser Kategorie stecken auch die Prosumenten (Kunstwort aus Produzent und Konsument), die besonders kritisch und schwierig seien.
Für Einzelhandel und Gastronomie bedeutet dies, so Hanni Rützler, „Lust machen, sich mit Nahrungsmitteln auseinander zu setzen. Restaurants sollten attraktive Marktplätze werden, denn warum sonst „sollte jemand noch aus dem Haus gehen, wenn man alles geliefert bekommt?“ Und das sogar von Top-Restaurants, angehörig zur Kategorie „Cookerants“.
„Essen ist so wichtig geworden, Ernährungsstile treten anstelle von Lebensstilen und sind Ausdruck der eigenen Lebensphilosophie und Weltdeutung.“
Es bleibt alles in Bewegung, denn die Haltbarkeit von Trends bewege sich, so Hanni Rützler, zwischen 5 und zehn Jahren.
Autorin: Doris Losch
Rettet die Männer!
Das Symposium Feines Essen + Trinken gehört als eine der letzten Männerbastionen unbedingt in das Artenschutzprogramm. Von 15 Referenten und Diskutanten waren zwei Frauen: Hanni Rützler und Ex-Ministerin Renate Künast. Selbstverständlich hatte auch ein Mann die Moderation übernommen. Bei den Symposiumsteilnehmern lag das Verhältnis maskulin/feminin etwa bei 80:20. An den Ständen des Marktplatzes war es umgekehrt. Und natürlich waren es Frauen, die Verkostungen offerierten und an der Garderobe Mäntel entgegen nahmen. Klares Fazit: Hier ist die Männerwelt noch in Ordnung. Mahlzeit!
Kommentar: Doris Losch
Weitere Informationen:
www.futurefoodstudio.at
www.sfet.de